Winterweiß

Kongsfjord auf Spitzbergen

Schon das Wort „Weiss“ beinhaltet Eis.

Weiß ist kalt. Es lässt uns an den Winter denken, der mit Schnee, Eis, Reif und Graupel unsere Umwelt weiß verhüllt. Weiß prägt großflächig Schnee- und Gletscherlandschaften. Aber wie der aufmerksame Betrachter verblüfft bemerkt, ist das reine Weiß eine Utopie, ein unerreichtes Ideal, das es außer in der Vorstellung nicht gibt. Bestenfalls begegnet ihm ein 99-prozentiges Weiß beim Schnee und all dem Plüsch zur Weihnachtszeit, der für die rechte Stimmung sorgt. Immer mischt sich etwas anderes ins Weiß, ein leichtes Blau, ein wenig Gelb. So kommt selbst das weihnachtliche Winterweiß nicht als unbunte Farbe daher, zu der es die Farbtheoretiker zählen. Auch Eis ist nicht immer rein weiß, wie uns schon Polarreisende wie William Scoresby und Fridtjof Nansen berichteten. Je älter das Eis wird und damit die in ihm enthaltene Luft verliert, desto bläulicher schimmert es. Freilich erhält der leise rieselnde Schnee noch viele Luftblasen und für eine kurze Zeit lässt er uns ein reines Weiß erahnen.

Kongsvegen auf Spitzbergen

Die Impressionisten, die wie die amerikanischen Luministen vom Licht fasziniert waren, lehnten es ab, Weiß als eine Farbe zu betrachten. Für sie war Weiß physikalisch korrekt ein Zustand größtmöglicher Reflektion des Lichts oder andersherum gesehen, das weitgehende Fehlen der Absorption. Deswegen ist es an den Polen, wo bekanntlich der Weihnachtsmann wohnt, so kalt: Ein Großteil des Lichts und damit der Wärme wird von den Eiskappen unserer Erde reflektiert.

Von der Idee der Reinheit besessen, empfinden wir Weiß zwar als kalt, aber auch als eine schöne und speziell eine festliche Farbe. Eine weiße Tischdecke, auch wenn sie ein billiges Laken ist, wirkt immer festlich, was noch durch weiße Servietten gesteigert wird. Einer schneebedeckten Landschaft wohnt ebenfalls ein festlicher Glanz inne. Dennoch war Weiß keineswegs beliebt bei den Deutschen. Es stand bis vor wenigen Jahren an siebter Stelle der Lieblingsfarben, weit hinter seiner komplementären Schwester, dem eleganten Schwarz. Weiß ließ Küche, Klo und Krankenhaus assoziieren. Das ändert sich gerade: Weiß wird zum neuen Schwarz, der schicken Farbe edler Eleganz, in der man seine Wohnung stylt, die man beim Auto liebt und in Accessoires zur Schau stellt. So wird die kommende Weihnacht noch weißer werden, auch wenn der Schnee in letzter Zeit unsere romantischen Gefühle enttäuschend ausbleibt.


© Klausbernd Vollmar, Cley/Norfolk/UK 2010

2 thoughts

  1. Ach ja, es gibt Wintertage!! Bei diesem grau-feuchten Schmudelwetter,vergißt man ,wie schön glitzernder Pulverschnee,gedämpte Geräusche die Seele erfreuen-meine zumindestens,die ganz naiv, sich nur an den “neu” entstandenen Landschaftbildern erfreut.

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  2. Pingback: Grausig Grau? « kbvollmarblog

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